Samstag, 11. September 2010

Eindrücke von Hans- Wolf Colsman, RT 204

Etwas abseits der Hauptstrasse, hinter einem liebevoll bemalten Tor erstreckt sich das Kinderdorf. Die blau weißen Häuser zu beiden Seiten des mit vielen Bäumen flankierten Hauptweges laden den Besucher ein. Um einen neu gepflasterten Platz reihen sich die Verwaltung, mehrere Schlaf- und Unterrichtsgebäude, ein Spielplatz, die Wäscherei, das Küchenhaus, diverse Vorratsräume und Schuppen. Weiter hinten noch die Bibliothek, die Näherei, weitere Gebäude, ein Bolzplatz und zahlreiche Obstbäume. Das Gelände endet auf der alten Dorfstrasse an der zahlreiche kleine Gehöfte und Häuschen liegen, mit dem ländlichen Charme wie aus einer Tolstoi Erzählung.

Die eigene Erwartung an eine kleine Ortschaft zwei drei Stunden Südwestlich von Odessa mitten auf dem Lande werden für mich voll erfüllt.


Einige Kinder springen spielend fröhlich umher. Gepflegt und adrett gekleidet grüßt jeder von ihnen uns unbeholfene Fremde, die mühsam mit Nachfrage eine Art ‚Guten Tag’ auf ukrainisch herausbringen und ganz auf ihren Dolmetscher Maksim vertrauen, den Weg zur Verwaltung in Erfahrung zu bringen.

Unsere grob erwartete Ankunft spricht sich schnell herum, viele versuchen noch einen Blick auf uns zu erhaschen bevor wir vom Direktor begrüßt und in sein Büro geführt werden. Dort, dank der unbekümmerten Übersetzungen, werden erst Freundlichkeiten ausgetauscht, doch nach und nach fallen Schein und sprachliche Hürden zu Gunsten der inneren Verbundenheit.

Dem Direktor ist es unangenehm über Schwierigkeiten in seinem Kinder Dorf zu sprechen. Wen es um die eigenen Kinder geht ist die Regierung und Gesellschaft eines jeden Landes in der Pflicht sich ihrer anzunehmen und nicht die anderer. Schließlich geht es um die eigene Zukunft. Aber er räumt zu seinem bedauern ein, dass seit der Wende dieses Bewusstsein eher abgenommen als gewachsen sei.
Nach einem russischen Sprichwort muss der Hilfsbedürftige dem Hilfsbedürftigen helfen nicht mehr hilfsbedürftig zu sein – so ist es hier auch. Daher freut er sich ehrlich über unser Interesse an seinen Kindern und sieht, egal was später daraus wird, dieses als einen Erfolg und ein Zeichen von Menschlichkeit.

Sein Hauptproblem ist lang zu schildern - alte Häuser, teure Ersatzteile, wenig hiervon und und und – aber schnell anzuschauen – die Heizung. Beim bestaunen der Anlage fühlt man sich in die Kindheit von Tolstoi zurück versetzt, damals war sie vielleicht noch modern. Hier fühlen wir alle Handlungsbedarf.

Beim weiteren Rundgang entdecken wir noch die Sporthalle, deren Dach am Ende des letzten Winters einstürzte auf Grund der ewigen Feuchtigkeit in den Wänden und dem Gebälk, dank der verwendeten natur belassenen Muschelkalksteinen, die Wasser halten wie ein Schwamm. Diese Steine stehen hier frei zur Verfügung anderes Baumaterial können sie sich mit ihren Mitteln nicht leisten. Hier ist der Direktor aber guten Mutes die Materialien für ein neues Dach im Verlauf des nächsten Jahres wieder beisammen zu haben, um auf gleiche Weise es wieder aufzubauen. Die Turngeräte, weitest gehend in Ordnung stehen nach wie vor in der Ruine und bleiben da wohl auch bis zum Wiederaufbau, für mich komisch, dort normal.

Moderne Fenster im größten der Schlaf Häuser fallen uns auch noch ins Auge, dank einer einzelnen Zweckgebundenen Spende wurden diese Plastikfenster in die Holz und Muschelkalk Häuser eingebaut, nur jedes zweite läst sich von ihnen zum Lüften öffnen. Eine gut gemeinte Tat, die wenig verbesserte.

Neben vielen, kaputten Fensterscheiben, fehlenden Leuchtmitteln und sonstigen mangels passender Ersatzteilen defekter Dingen, stieß uns die Bedürfnisverrichtungsanstalt getrennt für Lehrer und Schüler auf. Uns westeuropäisch geprägten Besuchern schien die dortige schüssellose Gemeinschaftsplumsklo Variante sehr mittelalterlich, jedoch aus Sicht der Landbevölkerung vor Ort nicht ungewöhnlich zu sein. Warum die Toiletten in den Häusern genau abgesperrt waren ließ sich während unseres Aufenthalts nicht genau klären, eine der zahlreichen Begründungen waren die Ersatzteile.

Alles in allem scheint mir aus meiner Perspektive vieles sehr primitiv, aber stabil langlebig und daher effektiv zu sein. Mit den dort zur Verfügung stehenden Mitteln und mit einer großen Herzlichkeit ist das Team der Betreuer bemüht, ihre Kinder bestmöglich auf die Welt vorzubereiten und Chancen zu ermöglichen in neue Welten einzutreten.

Wissend, dass auch bei neuen Anlagen irgendwann teure Ersatzteile erforderlich sind, will niemand Hightech, sondern eine langlebige Verbesserung der Situation erreichen. Mit vergleichbar wenigen Mitteln, aber sicher mit einigen ‚Hands on’ Projekten von hiesigen Spezialisten und willigen Anpackern von allen Orten können wir dort viel leisten,um diesen Kinder und dem Land beim verbessern ihrer Lebenssituation zu helfen.

Leider steht die Obrigkeit vor Ort diesem Vorhaben und sich selbst immer mal im Wege, aber dies wird uns nicht entmutigen auf dieser freundschaftlichen Ebene gemeinsam unsere Vorstellungen umzusetzen. Zudem sind viele Unternehmen vor Ort, die ihren Stammsitz in der Round Table Welt haben und mit ins Boot geholt werden können.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen