Donnerstag, 28. Oktober 2010

Damit wir besser miteinander leben

In den vergangenen Tagen ist meine Seele aufgeblüht.

Schon die Fahrt von Odessa nach Michailovka war spannend. Mit einem Fahrzeug unterwegs, das uns von der evangelisch-lutheranischen Bischofskanzlei in Odessa zur Verfügung gestellt wurde, war es fast so als seien wir unterwegs "im Auftrag des Herrn". Nicht dass es viel nutzte, denn nach einem kurzen Abbiegen auf eine Tankstelle erfuhren wir von den uns später anhaltenden Polizisten, dass wir ukrainisches Verkehrsrecht gebrochen haben - was uns 255 Hrywnja (ca 23 Euro) kostete. Das Kreuz auf der Windschutzscheibe verleitete den Polizisten dann dazu, Tommy im Protokoll mit der Berufsbezeichnung "Pastor" zu benennen. Es hätte keinen besseren treffen können.

Die Überraschung und Freude in den Augen und Gestiken der Kinder, der meisten Betreuer und nicht zuletzt auch des Heimleiters, Viktor, haben viel dazu beigetragen, mich mit Freude zu erfüllen.
Wie ich aber schon vor Ort sagte, muss man mehr als dankbar dafür sein, geboren zu sein, wo wir geboren sind. So vieles von dem, das uns als absolut selbstverständlich erscheint, ist im Kinderheim von Michailovka alles andere als selbstverständlich.

Zwei Nächte im Heim lehrten schnell, dass es auch ohne warme Dusche geht (ich habe nicht einmal eine mit Kaltwasser gesehen), dass Zähneputzen auch mit kaltem Wasser aus der Mineralflasche gut geht (man weiß sofort, ob der nächste Zahnarztbesuch vielleicht doch nicht aufgeschoben werden soll) und, dass man immer wissen muss, wo gerade der Klopapierbeutel ist.

Man lernt schnell gewisse Toilettenangewohnheiten auf die helle Tageszeit zu verlegen, denn der weit weg im Freien stehende Plumpsklo (übertraf all meine schlimmsten Erwartungen) ist dunkel - dunkel - dunkel! Einfach nur dunkel!

Kein Strom, kein Wasser, kein Toilettenpapier - ja noch nicht einmal eine Miniablage auf der man das mitgebrachte Papier ablegen kann. Ich weiss nun, wie einfallsreich man wird, sobald man mit sehr einfachen Problemstellungen konfrontiert ist.

Nun denn, dies war ein absolutes Erlebnis - und, wie gesagt, es zeigt auf, dass eben nicht alles überall so selbstverständlich ist, wie wir es manchmal gar nicht zu schätzen wissen.

Nie vergessen werde ich die herzliche Gastfreundschft, das unglaublich gute Essen - die hausgemachten Borschtsch, Pelmeni, Vesnianyi, den Tschebureki oder den Tworg (super Quark), den Salo, der eingelegte Speck von dem ich nie dachte ihn essen zu könne und dann war es so gut, und nicht zuletzt den ukrainischen Vodka, von dem wir etwas zu kosten bekamen.

Jetzt könnte man meinen, wir waren auf einer Ausflugsreise, was natürlich nicht der Fall war und so ist dieses mögliche Fehldenken gleich ins richtige Licht zu stellen.

Das tolle Abendessen gab es am Sonntag ab 22 Uhr (bei Tommy war es früher, aber er hatte seine Uhr nicht umgestellt), weil wir bis dahin in einem 14 1/2 stündigen Akkordeinsatz Betten aufgebaut hatten. Ich hätte nie geglaubt, dass wir uns so schnell als Betten-Aufbauteam einspielen, so dass wir bereits vor dem Sonntagsfrühstück 16 Betten aufgebaut hatten.


(Tommy wird sicherlich noch eine ganze Bildgalerie einlegen)

Es hat einfach unglaublich viel Spaß gemacht und somit haben wir dann auch Sonntag auf Montag sehr tief und fest geschlafen. Der Muskelkater kam dann eigentlich erst mit dem Aufstehen, ist aber bei der späteren Rückfahrt nach Odessa (was nicht an Tommys Fahrstil gelegen haben soll) vergangen.

Die anwesenden Kinder waren offensichtlich begeistert und haben dann Sonntagnacht in den neuen Betten verbracht. Ich hoffe, dass die Betten ihnen noch lange Freude bereiten werden.

Die Kinder haben toll mit uns zusammen gearbeitet und überall da geholfen, wo gerade auch Hilfe gebraucht wurde -- und sie waren ganz lieb. Dann kam später die ausgelassene Freude über die von uns mitgebrachten kleinen Geschenke.

Es war für mich ein tolles Erlebnis und ließ mich glücklich sein als Tabler (OK - zugegeben, als Oldie - aber damit trotzdem "Tabler forever") einen Beitrag leisten zu können und hier dabei gewesen zu sein.

Die Tage mit Tommy, Christian und Maxim werde ich nie vergessen. Ebenso wenig die kurze Zeit im Kinderheim.
Sie hat gezeigt, dass es wenig Aufwand kostet einen Beitrag dazu zu leisten, dass Kinder besser leben können - und letztlich ein wenig dazu beizutragen, dass wir alle besser miteinander leben und dass die Welt für uns alle viel freundlicher erscheint.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen