Montag, 6. Dezember 2010

Post aus Odessa

Wahrscheinlich hat man unser kollektives Aufatmen bis nach Deutschland gehört. Gerade haben wir eine wichtige Etappe auf unserer Tour ans

Schwarze Meer hinter uns gebracht: Die 12.000 Weihnachtspäckchen für Kinder in der Region Odessa sind über die ukrainische Grenze und durch den Verzollung des Landes.

Ganz leicht war es allerdings nicht. Die mehr als 1400 Kilometer bis zur ukrainischen Grenze hatten wir noch wie alte Globetrotter gemeistert – mal abgesehen von kleinen Zwischenfällen wie der nächtlichen Tour über zugefrorene Waldwege auf der Suche nach einem Schluck Diesel für den durstigen Sprinter. Gerade noch rechtzeitig fanden wir eine Tankstelle.

Heute gegen 12 Uhr wurde es dann ernst. „So, ab jetzt keine Späße mehr, Freunde! Und gequatscht wird nur im Ernstfall", rief Tommy über Betriebsfunk in die drei 30-Tonner und die drei Begleitfahrzeuge. Eindeutiger Befehl des Captains – augenblicklich herrschte Funkstille.

Die drei Begleitfahrzeuge fuhren voraus, und alle Passagiere erschraken vor der Schlange. Hunderte Laster, mehr als sieben Kilometer lang, dösten auf der Fahrspur. Der Letzte, so hieß es, werde erst in zwei Tagen die Grenze passieren. Uns blieb dieses Schicksal erspart, weil wir als Hilfskonvoi Vorfahrt hatten. Auf der Gegenspur drängelten wir uns an der Schlange vorbei – ein besonders waghalsiges Manöver, wenn von vorne schwere Trucks nahten und wartende Trucker uns zu blockieren versuchten.

Die Kontrolle und die Abfertigung unserer Fracht haben aber dann doch, wie erwartet, eine Ewigkeit gedauert. Unser Schutzengel war die mecklenburgische Bundestagsabgeordnete Karin Strenz. Die Politikerin, Mitglied der Deutsch-Ukrainischen Parlamentariergruppe, verbrachte die neun Stunden an der Grenze mit uns auf dem Bock, um zur Not ein wenig Druck zu machen. Derweil warteten unsere Begleiter aus den drei Sprintern 100 Meter hinter der Grenze in einem Café und machten sich mit der ukrainischen Küche bekannt, mit Borschtsuppe, Soljanka und süßen Schnecken, Rulet genannt. Hin und wieder kam ein Funkspruch mit Wasserstandsmeldungen.

Gleich geht es weiter in Richtung Kiew. Die ukrainische Hauptstadt lassen wir jedoch aus Zeitgründen links liegen. Noch sind es fast 900 Kilometer bis runter nach Odessa ans Schwarze Meer.

Und wie sind Wetter und Straßenverhältnisse? Sagen wir es so: Wir haben seit unserer Abfahrt am Sonnabendmorgen in Hanau keinen schneefreien Flecken rechts und links der Straße gesehen. Und nachts, gerade auch bei den kleinen Toilettengängen unter freiem Himmel, ist es unter 20 Grad minus. Aber diese Strapazen nehmen wir gern in Kauf, um die Kinder im Kreis Odessa glücklich zu machen.

Christoph Wesemann


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