Sonntag, 8. Dezember 2013

Peter Krahl: Ich bin ein Ukrainer!

Es ist Samstag früh, ich komme gerade vom 48-Stunden-Turn wieder heim und habe nichts besseres zu tun, als meine Gedanken zu Papier zu bringen...

Mein erster Kontakt zum Konvoi war 2009 - als mich Nicole anrief und mich fragte, ob ich kurzfristig einen Bus für den Konvoi stellen könne - ich hatte viel zu tun, versprach ihr aber, bereit zu stehen, falls nichts mehr geht... ich wurde nicht gebraucht.

2010 war mein Mit-Tabler Udo das erste Mal mit in Odessa und berichtete ausführlich am darauf folgenden Tischabend - da wurde mir klar: ich werde ein Ukrainer!

2011 dann das erste Mal - welche Eindrücke ich hatte? Unbeschreiblich! Es war klar - ich bin Ukrainer!

Klar, dass ich 2012 wieder mitfuhr, schließlich war ich Ukrainer!

Dann Mitte des Jahres die Registrierung für den diesjährigen Konvoi - wohin? Logisch, nach Odessa, als Ukrainer ein Muss!

Als schließlich die ersten Probleme mit Odessa kundgetan wurden, hatte ich keine Bedenken, dass tatsächlich etwas schiefgehen könnte, wir Ukrainer waren schließlich Probleme gewohnt, die sich immer wieder lösen ließen.

Bei der Verlängerung der ersten Frist dann erste Zweifel - was sollte ich machen, wenn tatsächlich "mein" Konvoi ausfällt? Nach Rumänien? Niemals, dazu hatte ich nun wirklich keine Lust, schließlich war ich Ukrainer!

Über Moldawien machte ich mir keinerlei Gedanken, schließlich brauchen diese paar Leute ja keinen Bus! Genau dies teilte ich dann auch Damien mit, als er schrieb, Odessa falle aus und ich solle mit nach Moldawien. Nach Moldawien? Ich war doch Ukrainer!

Okay, Claudia, Doris, Klaus, Michael, Tobias und Tommy kannte und schätzte ich ja bereits - aber Moldawien?

Augen zu und durch!!!

Dann ging es endlich los! In Hanau treffe ich noch viele "meiner Ukrainer", wir reden viel und verabreden uns auch bereits für´s kommende Jahr, natürlich mit Odessa als Ziel!!!

Platz nehmen im (überaus neuwertigen, komfortablen und einfach TOLLEN) Reisebus des Busunternehmers meines Vertrauens - erstes "Beschnuppern" mit den neuen Mitfahren - klar, alles ganz nett, aber doch lange nicht so cool wie wir Ukrainer!

Erste Erfahrungsaustausche - über 40 Stunden Fahrt nach Chisinau? Lachhaft, wir waren nach Odessa knapp 50 Stunden unterwegs! Und was sind schon 2000 Kilometer, wenn wir 2500 gewohnt waren???

Ich bin ein Ukrainer!

Die Fahrt verlief nun wirklich gut, und als wir in Chisinau ankamen, war natürlich mein erster Gedanke, dass mich Chisinau an Odessa erinnert, Odessa aber ärmer wirkte. Dazu ein First-Class Hotel statt einfacher Zimmer in der Ukraine?

Ich bin ein Ukrainer!

Montag früh hoch, sehr gutes Frühstück im Gegensatz zu Odessa, kurz in die Stadt, dann nachmittags schon erste Päckchen verteilen. Das ist ja fast wie Urlaub, so reibungslos verläuft das alles! Okay, die Leute sind dann doch mehr als nett, es herrscht ja tatsächlich große Not, dazu ist man viel freier mit dem Verteilen als in der Ukraine. Abends kurz noch im Zimmer mit Tobias darüber unterhalten, dass es je doch nicht schlechter als Odessa ist.

Ich bin ein Molkrainer.

Dienstag den ganzen Tag auf den Beinen - als wir dann in Telenesti waren, zu dem "Zimmer" der Jugendlichen mit ihrer dreijährigen Tochter geführt wurden und sich fast 10 Leute in diese Bude drängten, um Geschenke zu überreichen... was hätte ich als Kind oder als jugendliche Mutter gedacht? Ich hätte Furcht gehabt, erdrückt und erschlagen zu werden. Also blieb ich lieber draußen, ebenso wie in dieser ärmlichen Wohnung im vierten Stock.

Gefühle übermannten micht... was war ich? Ukrainer? Moldawier? Tabler? Nichts von allem, in erster Linie war ich rat- und hilflos, ein einfacher Mensch voller Zweifel... Zweifel, die mich auch in den kommenden Stunden nicht verließen, als wir das Heim mit den behinderten Kindern besuchten und ich sah, wie das Mädchen, dass unbedingt laufen können möchte, ein Sprungseil bekam. Dass so viele Menschen anwesend waren, war diesmal sogar sehr gut, die Kinder hatten wirklich Freude.

Ich war sozusagen Staatenlos.

Mittwoch war dann der für mich schönste Tag - und der hatte weder etwas mit den ZDF, der Anwesenheit der Konvoileitung oder des Botschafters zu tun.

Als wir in Gagausien am Nachmittag den Kindergarten besuchten und der kleiner Zwerg sein Weihnachtslied "gesungen" hat, kam bei einem kleinen Mädchen beim Auspacken ihres Geschenks so übermäßig viel wahre Freude und wahre Momente des Glücks zum Vorschein, dass ich genau in diesem Moment wusste, dass alle meine Zweifel des Vortags zwar nicht unberechtigt, aber nicht erheblich genug waren!

Ab diesem Moment war ich ein Moldawier!

Dazu auf der Rückreise dieser magische Moment mit den 6 oder 7 Kindern in Rumänien kurz vor Iasi - diese abschließende Umarmung voller Dank, dass Menschen diesen Kindern Zuneigung schenken - wer könnte da stark bleiben?

Liebe (Ladies first, aber alles aphabetisch und nicht willkürlich!) Claudia, Christina, Doris und Heike, lieber Alex, Ben, Bernd, Ingo, Klaus, Matthias, Michael, Nils, Pavel, Peter, Tobias und Tommy - ich danke Euch von ganzem Herzen für die vergangenen acht Tage! Und da bald Weihnachten ist, würde ich mir wünschen, Euch alle im nächsten Jahr wiederzusehen!
 
 
Ich bleibe ein Moldawier!
 
Peter Krahl, OT Brake

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